Mittwoch, 6. Mai 2009

»argo.tartaros« · Einführungsrede

Liebe Vernissage-Besucher,


ich freue mich, dass ich heute auf dieser Vernissage von Michael Kragler ein paar einleitende Worte sagen darf. Michael und ich sind nun seit über 40 Jahren befreundet, und vor 20 Jahren durfte ich schon mal eine kurze Ansprache auf einer seiner Ausstellungen halten – das war damals in München/Pasing, in der „Alten Fabrik“.


Sollte sich dieser Rhythmus einpendeln, so freu ich mich auf 2029 und auf meine nächste Eröffnungsrede. Und danach – ja, dann schaun mer mal...


Ja, ja die Zeit! Ich kannte noch Michaels Großvater, ein wunderbaren Holzbildhauer und Künstler, bei dem der damals noch ein bisschen jüngere Michel in dem Atelier in Schwabing viel Anregung und Inspiration bekam, bevor er selbst an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte – und die er dann später als Meisterschüler abschloss.


Oft saßen wir – noch vor der Olympiade in München – in Schwabinger Kneipen, diskutierten über Gott und die Welt, über Kunst und Politik. Auch die Treffs im alten Hahnhof in Schwabing bleiben mir unvergessen, wo man beim pfälzer Landwein („1a“ hieß der) für 1 Mark 50 noch kostenlos Brot essen konnte, soviel man wollte.


Das Künstlerleben war auch damals nicht einfach - erst recht nicht, wenn man eine Familie zu ernähren hatte. Da muss man dann manchmal auch Aufträge annehmen, die künstlerisch eher einschränkend sind, aber etwas Geld einbringen – ich denke da an 50 große Bierfässer, die Michael für eine große Brauerei alle mit dem selben Konterfei des Brauereigründers beschnitzte. Anschließend gingen wir dann aber auch mal richtig schön japanisch Essen in München.


Um sich trotz permanenter Geldsorgen ausreichend Zeit für wirklich freies künstlerisches Schaffen zu nehmen, braucht man schon eine ganz schöne Stress-Stabilität – und die hat Michael, obwohl er sehr bescheiden und zurückhaltend ist. Aber in Punkto Kreatives Schaffen ist er bewundernswert ausdauernd und durch nix zu erschüttern.


Jetzt möchte ich noch sagen, dass Michael der belesendste Mensch ist, den ich je kennen gelernt habe: Weltliteratur, moderne Schriftsteller - er kennt die meisten. Und wann immer ich mal wieder einen guten Buchtipp haben wollte, bin ich zu Michel gegangen - ich denk da an Paustowski, Marcel Proust, Martin Walser, Michael Tournier, und andere. Die alle hab ich durch dich kennen lernen dürfen!


So - Ich hab jetzt zwei Nachrichten: eine gute und eine gute.


Zuerst die gute: obwohl ich Kunstsoziologie und Musikpsychologie als Prüfungsfach hatte, hören Sie heute von mir keinerlei abgehoben-theoretischen Analysen – das sah vor 20 Jahren noch anders aus – da hätten Sie mindestens drei längere Adorno-Zitate über sich ergehen lassen müssen!


Und nun die gute Nachricht: da ich Wahrnehmungsschulung und Intuition lehre, brauchen Sie heute abend keinerlei kognitive oder intellektuelle Anstrengungen zu unternehmen, um mit Ihrem sicherlich bedeutenden Wissen über moderne Kunst bei den anderen Besuchern Eindruck zu schinden. Sie dürfen stattdessen einfach offen in ihrer Selbstwahrnehmung die Werke von Michael Kragler auf sich wirken lassen und in Ihrer eigenen inneren Resonanz verweilen und achtsam wahrnehmen, welche Gefühle, Stimmungen und Gedanken in Ihnen auftauchen.


Doch jetzt möchte ich – wie es sich schließlich für eine anständige Eröffnungsrede gehört – schon noch etwas Kluges zum Werk des Künstlers Michael Kragler sagen. Ich fange einfach mit ein bisschen Gesellschaftskritik an, dann komme ich zu den Mythen und bin damit – wie ich hoffe ,ganz elegant –, wieder beim Künstler gelandet.


Keine Angst - dauert nur 5 Minuten!


In unserer zunehmend sich schneller verändernden Welt wird die Frage nach dem Sinn immer drängender. Viktor Frankl bezeichnete die Sinn-Leere (mit zwei „e“) als Krankheit des Kapitalismus – er sprach von der Sinnlosigkeits-Neurose der heutigen Zeit. Der Fortschrittsglaube an die Wissenschaft bröckelt zunehmend – wir müssen in Zukunft ganzheitlicher, vernetzter, integraler denken, fühlen und handeln. Auch die oft dogmatische Glaubensvermittlung der etablierten Kirchen findet immer weniger Zuspruch. Und auf dem Jahrmarkt der Sinn-Angebote konkurrieren Motivations-Gurus und –gurinen mit esoterischen und spirituellen Glücksverheißungen, die uns Glauben machen wollen, dass wir alles erreichen können, wenn wir nur die richtige „teure“ Software bei ihnen kaufen.


Doch ich will nicht zu deutsch-pessimistisch werden – es gibt wachsende Tendenzen - weg vom Haben zum Sein (im Sinne Erich Fromm’s). Der Soziologe Ulrich Beck spricht von einer neuen Sehnsucht nach Tiefe und nach neuen Lebensinhalten. Der Wunsch nach Mehrgenerationen-Wohnen, nach neuer Gemeinsamkeit findet sich bei immer mehr Menschen, was sich in der wachsenden Zahl der Öko-Dörfer, Friedensinitiativen, integralen spirituellen Gemeinschaften und vielen anderen neuen Formen sinnerfüllten Zusammenlebens zeigt.


Wir haben heute – auch durch die moderne Informationsvermittlung – Zugang zu allen spirituellen und mythologischen Erkenntnissen der Jetztzeit wie auch der Vergangenheit. Buddhistische, indianische, schamanische und magische Praktiken erweitern unseren Horizont – allerdings auch mit der Gefahr, dass wir nur cocktail-artig in alles hineinschnuppern. Doch die Reisen zum inneren Krafttier, die eigene Heldenreise und Meditations-übungen können uns sensibel machen für das, was wirklich zählt: das Sein und das Bewusstsein.


Wenn man sich wirklich ausführlich mit Mythen befasst, kann man eine ganz andere Tiefe erreichen als in einem im Wochenend-Schnellkurs oberflächlich angespürten und marketing-aufbereiteten Mythen-Angebot.


In dem kreativen Schaffen von Michael Kragler hingegen zieht sich die griechische Mythologie jahrzehntelang wie ein immerwährender roter Faden durch seine Arbeiten. Er selbst sagt: „Mit meinen – vom Themenkreis der griechischen Mythologie angeregten – Arbeiten beabsichtige ich keine Rekonstruktion der Antike, ich möchte den Betrachter vielmehr dazu inspirieren, sich mit den Traditionen und der Vergangenheit auseinander zu setzen.“ Der Mittelpunkt seiner Arbeit ist die Bildhauerei. Doch parallel dazu beschäftigt sich Michael seit über 30 Jahren mit großformatigem Malen. Der Schwerpunkt seiner Arbeit verschiebt sich ständig und so beschäftigt er sich seit langem auch intensiv mit Zeichnungen. Er selbst betont, dass ihn die meisten Arbeiten viel Zeit kosten ..“ein Luxus, den ich mir leiste. Ich bin mir sicher, je mehr ein Künstler investiert, umso stärker profitieren die Betrachter. Ich stelle nicht oft aus, um, wie ich es empfinde, mich und meine Arbeiten nicht abzunützen. Das Zurück zu Urempfindungen, Ursprünglichkeiten zur Mythologie ist für meine Arbeit wichtig. Ich suche – frei nach Michelangelo, auch in Putzrissen und Felsformationen nach Anregungen für meine Empfindungen“.


Zum Abschluss möchte ich noch erwähnen, dass sich zahlreiche Arbeiten des Künstlers im Besitz der Stadt München, des Landkreises Erding, der Stadt Dorfen, des Bayerischen Staates sowie in Privatbesitz im In- und Ausland befinden. Immer wenn der bescheidene Künstler Ausstellungen gibt – sei es 2005 im Flughafen München, oder in diversen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, können sich die Betrachter mitnehmen lassen in eine kreative Dialogsituation und so erfahren, dass Kunst, wie bereits Goethe sagte, eine Vermittlerin des Unaussprech-lichen ist. Und diese wunderbare intuitive Erfahrung können auch Sie heute abend erleben!


dr. rainer eggebrecht

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