Sonntag, 24. Februar 2013



ovb- online am 07. 02. 2013

Christoph Gemanders "Transformationshappening" im raum02 

Porzellan wird Geschichte 


Zur Februar-Vernissage sieht der raum02 anders aus als sonst: ein paar Biertische, mit schönem Goldrand-Porzellan.
Was das soll? Wird das ein Flohmarkt? Oder will Christoph Gemander nach fast 20 Jahren seine Ehe mit einem zweiten Polterabend auffrischen? Man könnte ja probeweise eine Suppenschüssel oder Kaffeekanne an die Wand werfen und auf die Reaktion warten. Ein echter Faux Pas wäre das gewesen. Bei näherem Hinsehen finden sich nämlich Dutzende von Zetteln mit Stichpunkten auf dem Geschirr: Worte wie Tabu, Gott, Sünde, Ewigkeit oder Faschismus sollen zum Nachdenken anregen.



© OVB
Kunst oder Krempel? Christoph Gemander mit seinen Schätzen aus dem heimischen Keller und einem "Transformations-
happening" im raum02. Foto fng

Weil man früher bei Familienfeiern einen ganzen Klan bewirtete, wurde einem ordentlichen, repräsentativen Speise- und Kaffeeservice sehr viel mehr Bedeutung beigemessen als heute. So hat auch Mutter Gemander ihrem Sohn reichlich Porzellan überlassen.

Die Entdeckung dabei: Wenn auch das Porzellan kaum benützt wurde, hängen viele Erinnerungen und Anekdoten daran. Einige sehr wertvolle Teile oder solche, die einen besonderen Erinnerungswert trugen, nannte man Konversationsstücke. Sie landeten im Vitrinenschrank und boten manchen Gesprächsstoff.

In einer etwas clownesken Einführungsrede erzählte Christoph Gemander in der kleinen Galerie in der Weißgerberstraße diesen Teil der Familiengeschichte und regte die Besucher an, zu den Stichworten nun ihre Erinnerungen preiszugeben. Die runde Kuchenplatte steht bei Gemander für Gott und Ewigkeit, weil der Kreis etwas Ewiges, Perfektes und in sich Geschlossenes hat.

Die mechanische Kaffeemühle, in deren Schubfach vielleicht gerade vier Kaffeelöffel Pulver hineinpassen, erinnert ihn daran, dass bis mindestens Mitte der 50er- Jahre der Bohnenkaffee mit Malzkaffee gestreckt wurde. Und die andere runde Platte trägt das Stichwort "Sünde": Vielleicht, weil einer als kleiner Bub ein Stück Torte stibitzte und den Rest so zusammengeschoben hat, dass die Lücke verschwunden war.

Das festliche Porzellan mag zwar aus der Mode gekommen sein, stellt aber dennoch ein Stück Kultur- und Familiengeschichte dar. Und so erlebten die Besucher im raum02 ein "Transformationshappening": Ein eigentlich totes Material wurde zu Geschichte.

Es blieben nach der Vernissage noch viele unkommentierte Zettel übrig - unter anderem für die "Midisage" am Freitag, 16. Februar, um 19 Uhr.



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